Die Geschichte von Melanie Hach
Shownotes
Heute hören wir die Geschichte von Melanie Hach. Melanie hat uns sehr eindrucksvoll von ihrer bewegten Lebensgeschichte erzählt.Angefangen als kleines Kind bis hin zu ihrem heutigen Erwachsenenalter, ihrem Engagement, aber eben auch all die schwierigen Stellen, auf die wir im Rahmen ihrer Biografie gestoßen sind.
Melanie ist einigen bekannt als Schauspielerin im Theaterstück Kinderhäuser und engagiert in vielen Bereichen der betroffenen Arbeit.
Wir danken Melanie sehr für die Offenheit und für die klaren Worte, die sie gefunden hat, um ihre Lebensgeschichte für uns im Podcast darzulegen. Danke Melanie.
Hinweis: Bitte achten Sie gut auf sich, wenn Sie diese Folge hören. Pausen sind erlaubt. Sie sind nicht allein.
Hilfs- und Fachstellen
Soforthilfe & Akute Beratung
- Hilfetelefon Sexueller Missbrauch – anonym & kostenlos, täglich 7–22 Uhr: 0800 22 55 530👉 www.hilfe-telefon-missbrauch.de
- Telefonseelsorge – 24/7 erreichbar, anonym & kostenlos: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222👉 www.telefonseelsorge.de
Bundesweite Fachstellen
- UBSKM – Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs👉 www.beauftragter-missbrauch.de
- Zartbitter e. V. – Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen 👉 www.zartbitter.de
- Weißer Ring e. V. – Hilfe für Kriminalitätsopfer 👉 www.weisser-ring.de
- N.I.N.A. e. V. – Bundesweite Hilfe- und Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt 👉 www.nina-info.de
- Wildwasser.de – Netzwerk unabhängiger Fachberatungsstellen 👉 www.wildwasser.de
- Frauen-Notrufe bundesweit – kostenlose und unabhängige Beratung für Frauen und Mädchen👉 Übersicht bei Wikipedia
Regionale & spezialisierte Fachstellen (Beispiele)
- UAK Münster e.V. – Unabhängige Aufarbeitungskommission gegen sexualisierte Gewalt im Raum der Kirchen im Bistum Münster. 👉 www.uak-muenster.de
- LARA Berlin – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen, trans, inter* und nicht-binären Personen 👉 www.lara-berlin.de
- Strohhalm e. V. (Berlin) – Prävention und Schutzkonzepte für Kinder, Kitas, Schulen👉 www.strohhalm-ev.de
- AJS NRW – Landesfachstelle Prävention sexualisierte Gewalt 👉 www.ajs.nrw.de
- Fachberatungsstellen in NRW (Auswahl):
- Aufzählungs-TextDistel e. V. (Essen)
- Indigo (Remscheid, inkl. gerichtsfester Spurensicherung)
- Zornröschen e. V. (Mönchengladbach/Viersen)
- Fachstellen in Krefeld, Herford u. a. 👉 www.opferschutzportal.nrw
- Fachberatungsstelle Bonn – Beratung & Prävention 👉 www.beratung-bonn.de
Kapitelmarken: 00:00:00 Intro 00:01:50 Kommissionsmitglied, Leitung der Selbsthilfegruppe und Betroffene 00:03:09 Licht und Schattenseiten als Betroffene 00:04:23 Bedeutung von Tieren 00:06:12 Die ersten 7 Jahre Zuhause & im Heim 00:10:04 Selbstanerkennung 00:13:25 Anderen etwas gönnen 00:14:30 Wichtige Menschen und Wendepunkte 00:16:32 Bildungsweg 00:18:41 Das Heim 00:21:26 Auszug aus dem Elternhaus und die erste Ehe 00:22:38 Was braucht es für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt? 00:27:49 Behörden und der Kampf um das eigene Recht 00:35:07 Das Theaterstück Kinderhäuser 00:39:53 Sensibilisierung 00:42:58 Angehörige 00:45:19 Outro
Musik: Franzi Kruth Produktion: Alexander Freise Im Auftrag der UAK Münster e.V.
Transkript anzeigen
00:00:00: Bevor es losgeht, ein Triggerhinweis.
00:00:02: In diesem Podcast geht es um sexualisierte Gewalt, um Missbrauch und dessen körperliche und psychische Folgen.
00:00:09: Es werden Situationen geschildert, die emotional sehr belastend sein können.
00:00:14: Hilfsangebote findet ihr in den Show Notes.
00:00:18: Heute hören wir die Geschichte von Melanie Haach.
00:00:21: Melanie hat uns sehr eindrucksvoll von ihrer bewegten Lebensgeschichte erzählt.
00:00:26: Angefangen als kleines Kind, bis hin zu ihrem heutigen erwachsenen Alter, ihrem Engagement, aber eben auch all die schwierigen Stellen, auf die wir im Rahmen ihrer Biografie gestoßen sind.
00:00:39: Melanie ist einigen bekannt als Schauspielerin im Theaterstück Kinderhäuser.
00:00:45: Melanie Haach ist engagiert in vielen Bereichen der betroffenen Arbeit.
00:00:49: Wir danken Melanie sehr für die Offenheit und für die klaren Worte, die sie gefunden hat, um ihre Lebensgeschichte für uns im Podcast, dazu legen.
00:00:59: Danke Melanie.
00:01:03: Thema Stadt Tabu, was wir aus sexualisierter Gewalt in der Kirche lernen.
00:01:09: Jahrzehnte lang wurde weggeschaut, jetzt wird hingehört.
00:01:13: In der ersten Staffel unseres Podcasts erzählen Betroffene von sexualisierter Gewalt in Einrichtungen der Kirche und der Caritas.
00:01:22: Wir sprechen mit Expertinnen, stellen Fragen die lange
00:01:25: niemand hören
00:01:26: wollte und geben jenen eine Stimme, die zu lange schweigen müssten.
00:01:31: Es geht um Verantwortung und Ungerechtigkeit, aber auch um Heilung,
00:01:36: Lebensmut
00:01:36: und darum, wie Betroffene ihre Geschichte in ihr Leben integrieren und neue Kraft daraus schöpfen können.
00:01:44: Aufarbeitung ist deshalb heute
00:01:46: wichtiger denn
00:01:47: je.
00:01:51: Du bist in der Kommission, du bist Leitung einer Selbsthilfegruppe, du bist Betroffene.
00:01:56: Wie kriegst du das eigentlich alles unter einen Hund?
00:01:58: Ich glaube, ich bin da einfach vor drei Jahren, vier Jahren sind es mittlerweile so reingerutscht.
00:02:04: Hab die Selbsthilfegruppe in Münster kennengelernt, hab dann Antonius Kock und Martin Schmitz damals kennengelernt und war dann so was wie ein Azubi von denen, die haben mich auch auf Tagung und so mitgenommen.
00:02:15: Und wenn du erstmal so anfängst, damit reinzurutschen, dann wird das irgendwie immer mehr, dann ist der Antonius tödlich verunglückt.
00:02:23: Dann war die Frage, wie geht's mit der Selbsthilfegruppe weiter, weil der Martin ja im eckigen Tisch aktiv unterwegs ist.
00:02:29: Und dann hab ich gesagt, das mach ich.
00:02:34: Einmal im Monat nach Münster kommen, kriege ich hin.
00:02:36: Und das mache ich jetzt auch schon seit letztes Jahr Januar, also ein Jahr und acht Monate mittlerweile.
00:02:41: Und in die Kommission bin ich gewählt worden von den Betroffenen im Jahr XXIII.
00:02:47: Da gibt es ja einmal im Jahr ein großes Betroffenen-Treffen und da konnte man sich auch stellen lassen.
00:02:53: Und zu dem Zeitpunkt war ich eigentlich schon recht tief drin, war auf vielen Tagungen, habe schon viele Betroffene auch betreut.
00:03:00: hat sich das so nach und nach ergeben.
00:03:03: Das wird auch nicht weniger irgendwie gefühlt.
00:03:05: Ja.
00:03:09: Ich erleb dich als unglaublich engagiert.
00:03:12: Du weißt viel und du bist total intensiv im Thema.
00:03:18: Was wird zu denken, was zahlst du für einen Preis und was ist der Vorteil für dich als Betroffene?
00:03:26: auch Betroffene.
00:03:29: Ja, dadurch, dass ich ja auch unhalber krank bin und unter einer großen Schmerzentömatik leide, merke ich halt schon, wenn Tage sehr anstrengend war oder wenn ich mehrere Tage hintereinander sehr tief in dem Thema bin, dass ich auch dann Tage brauche, um wieder auf die Beine zu kommen.
00:03:45: Das merke ich schon.
00:03:46: Versuch mich auch immer so ein bisschen... zu schützen, nutze auch das Büro der ORK mittlerweile, um Betroffene, die sich neu bei mir melden, über die Selbsthilfegruppe ist das meistens, dass sich neue Leute melden, auch einfach mal zu sagen, okay, geht mal dahin.
00:04:02: Ich hab im Moment einfach nicht die Zeit, weil ich kann auch nicht ständig nach Münster fahren.
00:04:07: Und hab einfach durch meinen Bauernhof auch so den guten Ausgleich mit meinen Tieren und so.
00:04:15: Und ich glaube, das ist etwas ... und der Abstand.
00:04:19: von Münster nach Bayern, der mir einfach auch gut tut.
00:04:21: Ja.
00:04:23: Jetzt sind wir beide ein bisschen tieraffin.
00:04:26: Magst du mal erzählen, was dir Tiere bedeuten in diesem Zusammenhang?
00:04:30: Ja, also ich habe eine südländische Kaltblutstute, die heißt Apache.
00:04:34: Und wenn ich die so, also wenn es mir nicht gut geht oder ich psychisch gerade auch nicht so gut drauf bin, es tut mir einfach gut, die zum Abend zu riechen.
00:04:44: Diese Wärme zu spüren, Tiere sind nicht bewertend.
00:04:46: Tiere nimm dich einfach so wie du bist.
00:04:48: Du musst auch nicht reden.
00:04:49: Das ist etwas, was ich total gerne mag.
00:04:52: Weil ich mag es auch einfach mal gar nicht zu reden.
00:04:55: Ich hatte in einer sehr schlimmen Phase mit knapp sechzehn auch teilweise über Monate meine Stimme verloren und... Es war für mich, glaube ich, am wenigsten schlimm.
00:05:05: Ich glaube, es war mehr für die Leute drumherum schlimm.
00:05:07: Und ich finde bei Tieren ist immer der Vorteil, man muss nicht reden.
00:05:11: Das funktioniert auch so.
00:05:12: Auch so mit den Hunden.
00:05:14: Ich hab zwei Hunde.
00:05:16: Merke ich einfach immer wieder, die merken, wenn's mir nicht gut geht.
00:05:19: Die kommen dann und die nimm dich einfach in den Moment oder fang dich in den Moment so auf, wie du's gerade gut gebrauchen kannst.
00:05:25: Und das ist
00:05:26: etwas ...
00:05:27: Ja, das kann dir einen Menschen nicht geben.
00:05:30: Und teilen das viele Betroffene?
00:05:31: Da hast du ja eine größere Erfahrung.
00:05:33: Also gibt es viele Betroffene, die Tiere haben?
00:05:36: Ja, also viele haben Tiere und ... Meine Tierfoto ist auch von den Kühen und so schicke ich immer durch die ganze Republik, sag ich mal.
00:05:45: Und das wird immer ... Die freuen sich immer alle.
00:05:47: total, ne?
00:05:48: Vor allem wenn's so witzige Szenen sind oder ich irgendwelche Videos dreh.
00:05:52: Und dann freuen die sich immer, also grade auch ältere Betroffene, die sehr einsam und alleine sind.
00:05:57: Da hab ich viele, denen ich das einfach so weiterschicke, ungefiltert.
00:06:00: Und die freuen sich dann immer total.
00:06:02: Das ist für die so eine Bereicherung aus ihrem Alltag heraus.
00:06:06: Ja.
00:06:06: Ich glaube, das ist schon etwas, was für viele Betroffene ein Anker ist,
00:06:10: so
00:06:10: Tiere.
00:06:12: Ich folge dir ja auf Instagram und sehe eigentlich, was für ein tolles Leben
00:06:19: du führst.
00:06:20: Du lebst auf einem Bauernhof, du hast Tiere, du machst Marmelade, du hast Kinder.
00:06:28: Das war ja mal ganz anders, vermutlich mal.
00:06:30: Absolut.
00:06:32: Magst du mal ... Magst du deine Geschichte ein bisschen erzählen?
00:06:38: Ja, also ich bin ... ... mein Mutter war damals ledig, also minderjährig auch.
00:06:45: Zu dem Zeitpunkt war man erst mit einundzwanzig erwachsen.
00:06:48: Vater kenne ich nicht und ... ... meine Mutter war das, was man früher so ein leichtes Mädchen genannt hat, hatte wechselnde Bekanntschaften.
00:06:57: Ich bin dann nach der Geburt zu meiner Oma gekommen.
00:07:01: Und da meine Oma zu dem Zeitpunkt auch noch sieben Kinder zu Hause wohnen hatte, war auch die Situation vom Wohnen her sehr schwierig, kommen aus sehr armen Verhältnissen.
00:07:10: Sozial schwach, sagt man heute.
00:07:12: Und ja, ich bin dann seventy-two in Zeim gekommen.
00:07:19: Da war ich ein Jahr alt, hab davor in der Familie schon Missbrauch erlebt.
00:07:26: Und bin dann im Heim ... Da kann ich mich allerdings auch erst erinnern, wo ich dann schon so vierundhalb, fünf war.
00:07:35: Ja, über zwei Jahre schwer sexuell missbraucht worden.
00:07:40: Also hundertfache Vergewaltigung durch drei Mitbewohner und einen Priester.
00:07:47: Und meine Mutter hat in der Zwischenzeit geheiratet.
00:07:51: Und die zwei Jungs, die nachgeboren wurden, die sind dann auch noch mit mir im Heim gewesen.
00:07:58: Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt noch erziehungsunfähig.
00:08:01: Wir sind dann trotzdem wieder nach und nach nach Hause gebracht worden und meine Mutter hat das einfach nicht geschafft, war, glaube ich, sehr überfordert mit sich und ihrem Leben und mit so vielen kleinen Kindern.
00:08:15: Als ich nach Hause gekommen bin, war ich knapp sieben.
00:08:17: Das heißt, wir haben eigentlich uns noch gar nicht so richtig gekannt.
00:08:21: Dann gab es natürlich auch schon direkt wieder einen neuen Mann und meine Mutter hat gerne getrunken, war medikamentenabhängig und kam überhaupt nicht mit uns klar.
00:08:31: Meine Brüder sind dann auch relativ zeitnah wieder an's Heim gekommen.
00:08:37: Der älteste Bruder, der ist dann irgendwann in eine Kognit-Hoflege gekommen und adaptiert worden.
00:08:43: Zudem habe ich heute auch gar keinen Kontakt mehr.
00:08:46: Und mein jungster Bruder hat dann so eine typische Heimkarriere hinter sich.
00:08:50: Der lebt heute als drogenabhängiger Mensch auf der Straße.
00:08:55: Ja, und ich bin bei meiner Mutter geblieben.
00:08:58: Da kam dann, als ich zehn war, noch ein Geschwisterchen hinzu.
00:09:01: Meine Schwester, die ich dann mit zehn Jahren auch betreut habe.
00:09:05: Weil meine Mutter halt immer auf Partys war und ja, wechselnde Männerbekanntschaften.
00:09:10: Da konnte Samstas morgens ein anderer Mensch im Bett liegen als Sonntags.
00:09:15: Das hat immer an allen gemangelt.
00:09:16: Ich hatte nie genügend Kleidung, Schulsachen sowieso nicht.
00:09:20: Und in den schlimmsten Phasen habe ich im Halbjahr über drei Hundert Stunden in der Schule gefehlt, weil meine Mutter mich als Hausmädchen und Kindermädchen benutzt hat.
00:09:31: Und ja, es war auf jeden Fall sehr entbehrungsreich.
00:09:36: Und es gab auch Phasen, wo wir nichts zu essen hatten, weil einfach kein Geld da war.
00:09:41: Und meine Mutter damals ja auch von der Sozialhilfe gelebt hat, kann mir nicht erinnern, dass sie jemals gearbeitet hat.
00:09:47: Und ja, das war schon schwierig.
00:09:51: Ja.
00:09:53: Also Melanie, ich gucke ja immer nur auf dich heute.
00:09:58: Ich kann ja nur immer gucken, wer du heute bist.
00:10:02: Und wenn wir Gelegenheiten haben, uns zu treffen und du ein bisschen aus deiner Biografie erzählst, Dann bin ich immer nur beeindruckt und habe einen wahnsinnigen Respekt vor dem, was du in deinem Leben geleistet hast.
00:10:19: Geht dir das auch so?
00:10:23: Also ich muss sagen, ich bin für mein Leben heute sehr dankbar, ob ich das jetzt... anerkenne, was ich geleistet habe, ich glaube eher nicht.
00:10:34: Also das nicht, aber ich bin jeden Tag dankbar, alleine, wenn ich in den Stall gehe und mein eigenes Pferd habe, in meinem eigenen Haus wohnen und im Garten rumrödeln kann.
00:10:45: Das ist also eine unwahrscheinliche Dankbarkeit, die ich spüre, dass ich Essen kaufen kann, wenn ich essen möchte und auch was ich möchte.
00:10:53: Das ist für mich eine wahnsinnige Wertschätzung.
00:10:56: Also da bin ich... sehr dankbar für mein Leben, was ich heute leben darf.
00:11:01: Also, das hätte ich mir als Kind gar nicht vorstellen können, dass man in einem eigenen Haus wohnt.
00:11:05: Das waren ja für mich Menschen, ja, wir vom anderen Planeten.
00:11:10: Also, wir hatten ja gar keinen Bezug zu Menschen, die, ich sag mal, normal gelebt haben.
00:11:15: Und die Eltern aus unseren, aus meinen Schulklassen, die wollten auch nie, dass ich mich mit den Kindern verabrede, weil wir asozial waren und meine Mutter als Hure verschrien.
00:11:26: Und von daher ... ist das für mich eine ganz andere Welt gewesen, in einem eigenen Haus oder in Urlaub zu fahren oder ein Tier zu besitzen.
00:11:36: Das kann man gar nicht erklären.
00:11:38: Es war für mich gar nicht vorstellbar, dass man überhaupt sowas so leben kann.
00:11:44: Ich glaube, ich war zehn, elf, da bin ich mal von einem Klassenkameraden eingeladen worden und dann ist mir erst bewusst geworden.
00:11:51: wie ich lebe und wie eine Familie lebt.
00:11:55: Da kam der Vater von der Arbeit.
00:11:57: Alle haben an einem gedeckten Tisch gesessen.
00:12:00: Mutter hatte Schürze wirklich um.
00:12:01: Also es war wirklich so eine typische Familie.
00:12:04: Es war alles sehr harmonisch und da ist mir das erste Mal bewusst geworden, wie ich lebe.
00:12:12: Bei uns gab es immer viel Gewalt und die wechselnden Männerbekanntschaft meiner Mutter haben mich über die Jahre auch schon.
00:12:19: Schwermes braucht.
00:12:21: Und meine Mutter war viel weg, war nie so für mich da, nie präsent.
00:12:26: Ich kannte gar keine Umarmung oder irgendwie, dass es einen schön gedeckten Tisch gibt oder irgendwie.
00:12:33: Ja, sowas kannte ich einfach nicht, oder dass jemand da war, wenn ich mal in die Schule durfte und mich empfangen hat.
00:12:38: Und dieser Moment, bei diesem Kind zu sein, war für mich unglaublich.
00:12:46: kann man gar nicht so beschreiben, aber das war so ein Schlüsselmoment, wo ich festgestellt habe.
00:12:51: Das gibt auch was anderes, ne?
00:12:52: Und mir war schon vorher immer klar so schrecklich wie die Erwachsenen, um mich herum möchte ich gar nicht werden.
00:12:59: Das wusste ich schon, da war ich vielleicht sechs, sieben.
00:13:03: Also diese Weizsicht hatte ich schon früh.
00:13:05: Ich habe mir auch das Lesen selbst beigebracht und sobald ich Bus fahren konnte, war ich dann immer in der Bücherei.
00:13:10: Ich habe immer viel gelesen und bin so ganz abgetaucht in andere Welten, aber ... eine andere Welt zu erleben, wie bei diesem Jungen.
00:13:18: Das war schon, weiß ich nicht, das war schon krass.
00:13:22: Das ist auch schmerzhaft, vermute ich mal.
00:13:24: Wenn man aus eher zerrütteten, schwierigen Verhältnissen denkt, na ja, vielleicht haben es andere besser, aber man weiß es gar nicht so ganz genau, da kann man wahrscheinlich besser mitleben, als wenn man das dann real erlebt.
00:13:39: Und sieht ja, dieses... Persönliche Ungerechtigkeitsgefühl, wie der wahrscheinlich noch mehr angetriggert könnte.
00:13:48: Ich habe das auch als Kind allen Menschen.
00:13:51: Also ich meine, nach den Sommerferien sind viele Kinder, wenn die Schule gekommen sind, erzählt, was sie alles in den Ferien erlebt haben.
00:13:57: Also ich habe Gewaltexesse, Partys meiner Mutter und Selbstmordversuche meiner Mutter erlebt.
00:14:05: Und die waren dann in Italien am Meer.
00:14:06: Also krasser geht es eigentlich gar nicht.
00:14:10: Trotzdem habe ich das allen immer gegönnt.
00:14:12: Ich bin auch heute noch so, dass ich ein absoluter Geber-Mensch bin.
00:14:19: Ich habe mich gar nicht persönlich deswegen angegriffen oder schlechter gefühlt, sondern ich habe mich immer über die gefreut, den es gut geht.
00:14:28: Ja, so erlebe ich dich auch.
00:14:30: Gibt es denn, wenn du so auf deine Biografie guckst, gibt es so Wendepunkte?
00:14:35: Also du hast gerade gesagt, ja, du hast dir selbst Leben bei, Lesen bei Leben wahrscheinlich auch.
00:14:41: Ja, Leben auch, ja.
00:14:43: Und das Lesen beigebracht, in Bibliotheken zu sein, in fremde Weltenabtauchen, gab es auch Menschen, wo du gedacht hast, ja, es gibt ein anderes Leben und ich fühle mich motiviert.
00:14:56: Ja, motiviert vielleicht.
00:14:57: Wo waren
00:14:57: die Kipppunkte?
00:14:59: Dass du heute da bist, wo du bist.
00:15:01: Ja, gut, das haben natürlich immer mal Menschen mein Leben gekreuzt.
00:15:04: Das war in der ersten Klasse, als ich dann aus dem Heim kam und mit meiner Mutter eingezogen bin.
00:15:12: Das war ein Lehrer mit einem Vollbad und einer Lazzose und so Biolatschen.
00:15:17: Der hatte einen Akkordion.
00:15:18: Und der hat immer sehr viel Zeit damit verbracht, uns Märchen zu erzählen und zu singen.
00:15:23: Und da habe ich mich immer total wohl gefühlt.
00:15:27: Das hat mir schon immer so ein bisschen Kraft gegeben, wieder zurück in die Halle zu gehen.
00:15:32: Und das war definitiv einer der Menschen.
00:15:36: Und ich glaube, sonst habe ich auch viel meiner Bockigkeit zu verdanken.
00:15:42: Ich bin schon, glaube ich, ein sehr schwieriger und bockiger Mensch und habe immer schon so meinen eigenen Kopf gehabt.
00:15:49: Und meine Mutter ist da überhaupt nicht drauf klargekommen.
00:15:52: Also, die hat mich ja schon mit elf, zwölf, auch mit in die Kneipen genommen und hat mich immer als Freundin vorgestellt und mich angeboten.
00:16:01: Da war ich auch schon immer ganz anders.
00:16:02: Also, konnte da gar nichts mit anfangen.
00:16:05: Also, ich hätte auch rauchen und trinken dürfen, ohne dass es ein Problem gewesen wäre.
00:16:09: Also, es wurden mir auch angeboten von meiner Mutter selbst.
00:16:12: Aber ich war nie so.
00:16:14: Ich hab auch bis heute kein Problem.
00:16:16: Also ... Gott sei dann kein Suchtproblem und trinke nicht und trauche auch nicht.
00:16:20: Und meine Kinder sagen, ich bin immer so ein absoluter Öko.
00:16:25: Weil ich einfach, weiß ich nicht, ich habe dieses Leben nie verstanden und ich wollte das auch nie.
00:16:32: Wir haben ja mal zu einem anderen Zeitpunkt ein bisschen länger miteinander geredet, was ich da so in Erinnerung behalten habe, war, dass du auch ein Bildungsweg gegangen warst, der für das Milieus, dem du kommst, untypisch war.
00:16:46: Also ich bin ja nach der Grundschule auf die Realschule gegangen und meine Mutter hat mich dann in der neunten Klasse runtergeholt und auf die Hauptschule gepackt.
00:16:55: Aber da war es so mega langweilig.
00:16:57: Dann bin ich die Klasse übersprungen.
00:16:59: Dann hat sie mich gezwungen, eine Ausbildung anzufangen und während dieser Zeit habe ich damals meine Stimme verloren.
00:17:06: Bin in einer psychosomatischen Klinik in Münster an der Uni gelandet, was gut war.
00:17:11: Ich hatte damals einen jungen Therapeuten.
00:17:14: der mich ein Stück meines Weges auch begleitet hat und bin dann mit sechzehn direkt in einer eigenen Wohnung.
00:17:23: Er hat mich dann anschließend auch noch betreut.
00:17:24: Ich hatte auch eine nette Mitarbeiterin vom Jugendamt, mit der ich mich regelmäßig getroffen habe und konnte dann weiter Schule machen.
00:17:32: Hab dann Fachabitur gemacht und mit achtzehn bin ich dann allerdings rausgeflogen aus der Betreuung.
00:17:39: Das war damals halt so.
00:17:42: Und dann wollte ich eigentlich zur Polizei, weil ich gedacht habe, okay, vielleicht kann ich da noch weiter Ausbildung machen und gleichzeitig Geld verdienen.
00:17:49: Da habe ich dann aber erzählt, dass ich in einer psychosomatischen Klinik war und dann konnte ich wieder nach Hause gehen, nachdem ich alle Prüfungen bestanden hatte.
00:17:57: Und zu dem Zeitpunkt gab es bei der Bundeswehr die Möglichkeit, als Sanitäter zum Bund zu gehen.
00:18:04: Und dann habe ich mich da beworben, habe meine Krankheitsgeschichte nicht erzählt.
00:18:08: Und dann war ich Soldat.
00:18:11: Ja, und dann hab ich Sanitäterin gelernt, Krankenpflege gelernt und in der, ja, wenn man dann nach vier Jahren aufhört, dann hat man so eine Übergangszeit, da hab ich dann noch die Ausbildung zum Berufaufmann gemacht und hab dann mit Ende dreißig noch den Fachwirt gemacht für Sozial- und Gesundheitserziehung und hab dann noch Betriebswirtschaft studiert.
00:18:33: Genau, also ich glaube, ich bin auch die einzigste aus der gesamten Familie, die überhaupt studiert hat.
00:18:38: Ja, war
00:18:39: einer gut.
00:18:40: Ja.
00:18:42: Ich würde noch mal zurückgehen.
00:18:43: Du hast ja jetzt deutlich geschildert aus, ich sag mal, wie die Beziehung zu deiner Mutter war, wie gewalttätig das Milieu war.
00:18:53: War es im Heim besser?
00:18:56: Das war es ja.
00:18:57: Also ich bin ja eigentlich, wir sind damals ins Heim gekommen.
00:18:59: Da war ich ja noch sehr klein.
00:19:02: Ich muss dann zwischendurch wieder zu Hause gewesen sein.
00:19:04: Das kann ich nicht mehr recherchieren.
00:19:06: Die Unterlagen sind dafür nicht da.
00:19:08: Bin dann ja mit meinen beiden Brüdern.
00:19:09: Da war der Jüngste noch ein Baby.
00:19:11: noch mal ins Heim gekommen.
00:19:13: Und ich hatte damals eine Schwester, die war mehr als Rabiat.
00:19:18: Die war schon sehr alt, Schwester Frigade.
00:19:21: Und
00:19:23: die hat eine Ordenschwester, ne?
00:19:24: Eine Ordenschwester, genau.
00:19:26: Das war eine Ordenschwester.
00:19:27: Und ich bin direkt von meinen Brüdern getrennt worden, hatte ein eigenes Zimmer im Erdgeschoss ganz alleine.
00:19:33: Alle Kinder waren im Schlafsaal außer ich.
00:19:36: Und Schwester Frigada war zum Beispiel eine, wenn du das nicht gegessen hast, was auf den Teller kam, dann musstest du sitzen bleiben.
00:19:43: So saß ich manchmal dann bis abends an meinem Platz und musste das Essen auch, also wenn es dann kalt war, Essen.
00:19:51: Und wenn ich es ausgebrochen habe, musste ich das Erbrochene auch essen.
00:19:54: Die war ganz erbarmungslos, hat mich geschlagen und mich als Bastard und als soziales Kind beschilft.
00:20:00: Und dass ich nicht ein Recht habe, auf dieser Welt zu sein, weil ich eine Schande bin und... Ja, das war halt schon sehr schlimm.
00:20:09: Und kurz nachdem ich auch dann in diesen kleinen Zimmerchen alleine war, sind auch diese Jugendlichen durch mein Fenster gekommen und haben sich an mir vergangen.
00:20:19: und ja, haben wir eigentlich alles bestialische gemacht, was man eigentlich so machen kann.
00:20:26: Da gibt es eigentlich nichts.
00:20:27: So mein erstes reales Bild als... Kind ist wirklich, wo ich mit dem Nachthemd auf dem Bett sitze und diese Sperma und Blut an meinen Beinen runterläuft.
00:20:37: Das ist so mein erstes richtig reales Bild aus meiner Kindheit.
00:20:42: Wahnsinn, ja.
00:20:42: Und zu dem Zeitpunkt hat man noch mit so Hänkelmännern das Essen aus der Großküche geholt.
00:20:49: Und da hat dann mich regelmäßig so ein Fahrer an den Wochenenden abgefangen.
00:20:54: Und den musste ich oral befriedigen.
00:20:58: Und der hat halt auch ... Ja, mich im vaginalen Bereich schwer verletzt, sodass ich auch sehr viele Vernarbungen habe, meine Kinder auch nur mit Kaiserschnitt bekommen konnte, kein normales Sexualleben haben kann, das einfach nicht möglich ist.
00:21:18: Also ich bin von einer Helle in die andere und bin wieder zurück in die nächste.
00:21:26: Könntest du sagen, es gab ein Schnitt, war es mit achtzehn oder mit sechzehn, als du ausgezogen bist, gab es da einen Schnitt, wo du sagen könntest, da fing es langsam an, besser zu werden für dich?
00:21:42: Ich muss dazu sagen, dass ich, bevor ich in die Klinik gekommen bin, bin ich zu meiner Oma gezogen, weil meine Mutter damals einen sehr gewalttätigen Albaner als Freund hatte und ich das einfach nicht mehr ausgehalten habe.
00:21:54: Und hab dann da meinen zukünftigen Mann kennengelernt und der hat im Grunde denselben Druck ausgeübt wie vorher.
00:22:00: Also es ging auch wieder nur darum, dass ich ihn sexuell zur Verfügung stehe.
00:22:04: Ja und bin im Grunde vom Regen in die Traufe gelandet.
00:22:07: Natürlich hab ich dann zwar meine eigene Wohnung gehabt und meine eigene Verantwortung und konnte auch meine Schule besuchen, aber ich hatte trotzdem immer noch diesen gewalttätigen Akt und diesen psychischen Terror, den ich aushalten musste.
00:22:24: Ja.
00:22:24: Genau, ich habe ja nie gelernt, mich zu wehren und Wein war bei uns auch nicht erlaubt, dann hat man direkt noch mehr Schläge gekriegt, von daher war es schwierig.
00:22:38: Gibt es etwas, Melanie, wo du sagen würdest, bei dem Thema Aufarbeitung dieser Lebensgeschichte, die du uns zur Verfügung stellst, wo du sagen würdest, das wäre mir wichtig, das müssten Menschen wissen.
00:22:55: die sich mit dem Thema Aufarbeitung, mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandersetzen, wo du sagst, das wäre mir eine Botschaft, die ich unbedingt loswerden möchte, wo ich denke, das braucht es, was braucht es für Menschen, die sich ehrenamtlich professionell wie auch immer damit beschäftigen?
00:23:20: Ich glaube, es braucht einfach viel mehr Menschen, die einfach genauer hingucken, weil ich meine, Ich war in der Schule.
00:23:28: Es gab Lehrer.
00:23:29: Und wir hatten eine Sozialarbeiterin, die war regelmäßig bei uns.
00:23:34: Die kenne ich auch, kann ich heute auch noch komplett beschreiben.
00:23:36: Ich weiß, wie sie heißt.
00:23:37: Und ich frag mich einfach immer, wieso diese Ämter so versagt haben.
00:23:42: Und diese Institution, ich meine, da kommt ein Kind, was schwer vergewaltigt wird oder blaue Flecke hat.
00:23:47: Und keiner guckt hin, weil es nicht sein darf, was nicht sein darf.
00:23:51: Also, ich finde das einfach schlimm.
00:23:54: Ich finde einfach, wenn wir alle ein bisschen aufmerksamer sind und einfach sehen, dass da ein Kind Hilfe braucht, dass man einfach sich auch traut, für dieses Kind einzugestehen, weil du kannst als Kinds nicht weg.
00:24:06: Nein.
00:24:06: Wie hätte ich weggehen sollen?
00:24:07: Wie hätte ich im Halben, wenn wir Nonne erklären sollen, was mir gerade schon wieder passiert ist?
00:24:12: Wie soll das funktionieren?
00:24:13: Und die Nonne hat mich.
00:24:14: ja, meine Nonne, die ich eigentlich vergöttert habe, die wir anschließend hatten, nachdem diese rabiate Nonne weggegangen ist.
00:24:21: Die, wo ich immer dachte, das ist ein guter Mensch.
00:24:24: Die hat mir dann in den Jahrzehnten erzählt, dass sie mich nachts dann geduscht und eingekremt und versorgt hat.
00:24:30: Und ich denke mir, du hast das alles gewusst.
00:24:32: Dein Zimmer war neben mir, ne?
00:24:33: Also du hast neben mir geschlafen und du hast es zugelassen, dass mir so viele Sachen passiert sind.
00:24:39: Und ich kann das einfach nicht nachvollziehen, wie man gleichzeitig gläubig sein kann und gleichzeitig so einen schutzlosen Wiesen gar keine Hilfe geben kann.
00:24:49: Was ich auch als wichtig empfinde ist, dass die Menschen draußen sehen, dass aus diesen betroffenen Kindern, die so viel Leid erfahren haben, auch Erwachsene werden, die einfach ihre Probleme haben.
00:24:59: Ja.
00:24:59: Das ist einfach so.
00:25:00: Also ich habe nie ein richtiges Berufsleben haben können, weil ich immer wieder sehr krank geworden bin und ... Ich einfach mit meinen Ängsten und meinen Problemen es nicht geschafft habe, länger irgendwo zu bleiben, sobald mich jemand blöd angemacht hat, habe ich Angst gekriegt oder es brauchte mir... Nur jemand Erwongsen machen, weil er mich toll fand, bin da überhaupt nicht drauf klargekommen.
00:25:25: Und das verstehen die Leute ja draußen nicht, dass du einfach auch einen Knall weg hast.
00:25:30: Das kannst du ja auch nicht abschalten.
00:25:33: Du kannst natürlich an dir arbeiten und ich denke, ich arbeite.
00:25:35: Ich bin auch seit über sechs Jahren in Therapie jede Woche.
00:25:39: Aber... Du lernst natürlich irgendwie im Alltag zu existieren, aber du hast deine Flashbacks, ich hab sehr viele Albträume und die kann ich auch nicht abschalten, das geht einfach nicht.
00:25:52: Es gibt Tage, wo auch meine Schmerz und Thematik so schlimm ist, dass ich in einer Notaufnahme lande, sowie letzte Woche, dann liege ich halt zwei Tage wieder an einem Morphiumtrop, weil ich vor lauter Schmerzen nicht weiß, wohin.
00:26:04: Und ich glaube einfach, den Menschen draußen zu erklären, dass wir nicht einfach nur ... Frührenner sind, weil wir nichts anderes machen wollen, sondern es geht einfach nicht.
00:26:13: Du hast die Kraft nicht mehr, du hast so viel Kraft als Kind gehabt, um das alles zu überleben, dass diese Kraft einfach weg ist.
00:26:20: Das ist einfach schwierig.
00:26:22: Und für mich ist heute die Arbeit mit Betroffenen genau deshalb so wichtig, weil das ist das Einzige, wo ich mich wiederfinden kann, weil ich diese Leute einfach verstehe, weil ich genau weiß, wovon die reden und weil ich auch diese Probleme habe.
00:26:37: Ich ist einfach als sehr wertvoll Empfinde, wenn wir uns austauschen können.
00:26:41: Ich muss mich nicht vorstellen, wenn es mir heute scheiße geht, dann geht es mir scheiße, weil ich weiß, den ging es auch gestern scheiße.
00:26:47: Und dann kann man, hat man eine ganz andere Basis miteinander zu reden, weil die meisten Leute da draußen verstehen ja überhaupt nicht, was es bedeutet, so was zu überleben.
00:26:55: Ja,
00:26:56: das ist ja...
00:26:57: Ja.
00:26:58: Also, das ist Überlebenswort hat man mit Psychologin immer gesagt.
00:27:02: Also, man hat halt überlebt.
00:27:03: Und das ist ja so.
00:27:04: Aber das Leben geht ja weiter.
00:27:07: Irgendwann ist das klar vorbei, aber dann kommt halt dein Körper und der macht sich halt bemerkbar, ob du das willst oder nicht.
00:27:16: Das ist auch etwas, was ich heute als sehr umfern finde.
00:27:19: Gerade wenn es mir sehr schlecht geht, dann denke ich mir immer, warum.
00:27:23: Warum werde ich jetzt noch mit so starken Schmerzen bestraft?
00:27:27: Warum habe ich jetzt so extreme Albträume?
00:27:29: Und dann empfinde ich es als unfair.
00:27:33: Ist es auch.
00:27:34: Das finde ich auch sehr unfair.
00:27:37: Das
00:27:37: ist sehr, sehr ungerecht.
00:27:40: Ich finde auch ... Also, ich bin ja jetzt noch nicht so lange im Thema wie du.
00:27:46: Gott sei Dank, kann ich für mich sagen.
00:27:49: Das, was ich jetzt ... In der Arbeit der UAK mitbekommen ist, und das kriegst du in Teilen oder wahrscheinlich auch noch sehr viel mehr mit als ich, ist, wenn Betroffene mit Behörden zu tun haben, wenn das ganze Stichwort von Plausibilität und Glaubwürdigkeit, mir fällt es sehr schwer zu verstehen, Warum es so schwer ist, Betroffenen zu glauben?
00:28:18: Hast du eine Idee, warum das... Warum müsst ihr so kämpfen um euer Recht?
00:28:24: Also ich habe ja im Jahr zehntausendzehn meine Geschichte beim Bistum zum Beispiel öffentlich gemacht und ich hatte dann am Beschäftlichen Gericht eine Anhörung.
00:28:33: Ich hatte gar keine Begleitung dabei.
00:28:34: Ich wusste gar nicht, worauf ich mich einlass.
00:28:36: Es saßen viele Leute da, die mich über zwei Stunden befragt haben.
00:28:40: Und ich hatte nicht eine Sekunde das Gefühl, dass mir jemand glaubt.
00:28:45: Und das hat man mir dann auch am Ende gesagt.
00:28:48: Und zwei Wochen später hatte ich zwölf tausend Euro offen konnte.
00:28:52: Das war damals die relativ höchste Summe, die in Deutschland gezahlt wurde.
00:28:57: Das hat mich total wütend gemacht, weil ich mit dem Gefühl daraus gegangen bin.
00:29:02: Erstmal, warum kriege ich Geld?
00:29:03: Das wusste ich gar nicht, dass es da irgendeine Entschädigung gibt.
00:29:06: Das war damals ja auch nicht so bekannt.
00:29:08: Zweitens, mir zu sagen, man glaubt mir nicht und zahlt mir dann was, hat sich so ein bisschen angefühlt wie so Schweigegeld.
00:29:16: Das hab ich dann auch relativ fühlt in einem Schreiben an das Bistum geschickt.
00:29:20: Und daraufhin kam nur, ich soll ja jetzt mal zufrieden sein, ich hab ja jetzt schon Geld bekommen.
00:29:27: Sich immer wieder rechtfertigen zu müssen für das, was ein passiert ist oder das, was man benötigt, finde ich super anstrengend, weil ich habe nur mal mit vier oder fünf Jahren keine Webcam in mein Zimmer gehabt, um beweisen zu können, was mir angetan wurde.
00:29:41: Meine Krankenakte und mein Körper, der zeigt das ja.
00:29:43: Und ich denke einfach, man musste auch bei den Erwachsenen viel mehr hingucken.
00:29:47: Warum sind die denn so, wie die sind?
00:29:50: Und was sagen denn die Ärzte?
00:29:51: Und was sagen die Psychologen, die Psychiater, die Kliniken?
00:29:54: Was steht denn in den Akten?
00:29:55: Ich meine, das macht ja keiner, weil er nichts anderes zu tun hat.
00:29:58: Also ich gönne nicht mal mal im Ärztenfeind, eine Woche meinen Körper zu haben.
00:30:03: Wirklich nicht.
00:30:04: Also ich gönne keinen Menschen.
00:30:06: Nicht mal die Leute, die ich überhaupt nicht leiden kann, würde ich es gönnen, eine Woche meinen Körper zu haben.
00:30:12: Also ich muss heute jeden Tag Opium nehmen, um überhaupt existieren zu können und das finde ich total schlimm.
00:30:18: Ich empfinde das als doppelte
00:30:20: Strafe.
00:30:20: Ja.
00:30:21: Und beim Opferentschädigungsrecht, ich bekomme das seit Die Befragung auch da war unter aller Sau.
00:30:33: Ich hatte damals aber dann schon eine Begleitung dabei und ich musste dann erklären, wie der Schwanz aussieht, wie es gerochen hat.
00:30:40: Und ich denke mir dann einfach, was willst du eigentlich von mir?
00:30:43: Warum muss ich das sagen?
00:30:44: Ich bin bei der Befragung zusammengebrochen und ich konnte nicht mehr.
00:30:49: Also, weil ich sollte ins Detail gehen, weil je mehr Detailst du heute als Betroffener nennst, desto besser stehst du da.
00:30:56: Und ich finde, dass so Menschen ... Verachten, dass man die Leute so retraumatisieren muss, dass die nochmal alles wiederholen müssen und alles wieder hochkommt.
00:31:07: Das finde ich total schwierig.
00:31:08: Ja.
00:31:10: Also das teile ich sehr, weil ich das auch erlebe und ich frage mich wirklich, wozu dient das?
00:31:17: Also ich kann das, das geht mir wieder, ich kann das nicht nachvollziehen.
00:31:22: Vor allen Dingen in diesen Details.
00:31:25: Ja.
00:31:26: Und das wurde mir auch damals im Bistum, also das war schon in den zwei Tausend Zwanzigern gesagt.
00:31:31: Je mehr Details man sagt, desto höher ist auch die Entschädigung.
00:31:34: Und ich denke mir, das kann doch nicht sein, das sind doch hier nicht beim Lotto.
00:31:37: Also wenn ich das sage, das ist so gewesen und ich bei mir steht es auch in den Akten.
00:31:42: Also es ist nichts da, was man nicht nachlesen kann.
00:31:48: Ich hab zwar nicht viel Akten, aber das, was ich hab, da steht der Missbrauch drin.
00:31:52: Es gibt Leute, die für mich ausgesagt haben.
00:31:54: Es gibt Nonnen, die das auch bestätigt haben.
00:31:56: Auch die Heimleitung von damals hat es bestätigt.
00:31:59: Ich denk mir, warum muss ich es trotzdem erklären?
00:32:01: Was ist der Grund?
00:32:02: Ich bin auch grade dabei, eine Erhöhung für die Opferentschädigungsrente zu beantragen.
00:32:07: Ich war schon neun Jahre mit dem LWL-Vorgericht.
00:32:11: Da ist nichts bei rumgekommen.
00:32:13: Jetzt läuft seit zwei Jahren die Erhöhung und ... Es ist... Ja, bringen Sie Ihre Krankenakte bei und ich denke mir immer so, ich habe euch alles gegeben.
00:32:22: Warum muss ich jetzt noch mal was bringen?
00:32:23: Es ändert ja nichts.
00:32:24: Es steht ja immer das Gleiche drin.
00:32:27: Und ich finde einfach so schlimm, dass ich mich immer wieder erklären muss.
00:32:31: Ich kann mich erinnern, dass vor... acht Jahren, neun Jahren.
00:32:36: Der LWL wollte mir mein posttraumatisches Belastungssyndrom aberkennen, weil sie gesagt haben, na ja, sie wohnt ja jetzt auf dem Bauernhof und hat ja Tiere und hat einen Garten.
00:32:45: Das kann ja alles gar nicht mehr so schlimm sein.
00:32:48: Ich hab damals gedacht, das ist jetzt nicht wahr.
00:32:51: Es steht dann da wirklich.
00:32:52: Also so gehen die Ämter mit einem um, dass man sich immer wieder erklären muss.
00:32:55: Ich weiß nicht, wie ein Betroffener auszusehen hat.
00:32:58: Also ... Ich hab keine Ahnung, aber meine Anwältin hat mir damals gesagt, am besten, man geht eine Woche nicht baden, zieht seine ältesten Gammelsachen an, am besten Gartenklamotten, macht viel Dreck unter den Nägeln, nimmt sich irgendwas, was ein bisschen betäubend ist und geht dann da völlig verrückt hin, um denen zu zeigen, so jetzt bin ich ein Betroffener.
00:33:18: Ich find das total schlimm, warum darf man nicht gebildet sein oder warum darf man nicht berufstätig sein?
00:33:22: Ich erlebe es auch ganz oft bei Berufstätigen, dass die ihre ... Möglichkeiten nicht ausschöpfen können, weil denen dann erzählt wird, wieso sie gehen noch arbeiten, sind noch verheiratet, sie haben doch Kinder, was wollen sie denn eigentlich?
00:33:34: Furchtbar.
00:33:34: Also, mir fehlen da auch wirklich jedes Mal die Worte zu, ne?
00:33:39: Ja, und das geht ja allen so, das ist ja nicht nur deine subjektive Sicht auf die Dinge, sondern wir haben es ja in der UAK hier mit ca.
00:33:48: thirty bis forty Personen zu tun, das teilen alle.
00:33:52: Ja,
00:33:53: also ich mein, dass ich da das OEG damals ohne Probleme gekriegt habe.
00:33:58: Das weiß ich heute noch nicht, wie das passiert ist.
00:34:00: Aber ich glaube, da habe ich einfach einen guten Sachbearbeiter für den Moment gehabt.
00:34:04: Aber wenn ich mir angucke, was ich auch an Ablehnungsbescheiden lese und was Leute kämpfen müssen, um überhaupt nur ansatzweise so weit zu kommen, das finde ich schlimm.
00:34:13: Und die Wartezeiten, also du wartest auf einen Antrag.
00:34:16: Also ich habe damals knapp drei Jahre gewartet.
00:34:19: Das ist immer noch so, drei bis vier Jahre, bist du dann mal Bescheid Christ.
00:34:23: Meistens ist es ein Ablehnungsbescheid, muss man sagen.
00:34:26: Achtzig Prozent der Fälle werden ja generell abgelehnt.
00:34:29: Und dann musst du in den Widerspruch gehen.
00:34:30: Das heißt, bist du dann irgendwann mal eine endgültige Entscheidung hast, kein sechs, sieben Jahre vergehen und dann sollst du noch klagen.
00:34:37: Wer soll denn das kräftemäßig schaffen?
00:34:38: Und bei der Kirche ist es ja genauso.
00:34:40: Du hast das UK-Verfahren, was überhaupt nicht transparent ist, was gar nicht auf die Betroffenen eingeht, was wildkürlich entschieden wird und die Leute warten zwei, drei Jahre bis hin Bescheid bekommen.
00:34:53: Und man weiß auch nicht, warum ist dieser Bescheid denn so entschieden worden?
00:34:56: Warum kriegt der eine dreitausend Euro und der andere dreißigtausend und der nächste dreihunderttausend?
00:35:02: Es gibt überhaupt gar nichts, woran wir das festmachen können, warum das so ist.
00:35:06: Ja.
00:35:07: Können wir an der Stelle einen Schnitt machen?
00:35:09: Ich würde ganz gerne noch mal ein ganz anderes Thema aufmachen.
00:35:13: Du hast Theater gespielt.
00:35:16: Ja.
00:35:17: Ja.
00:35:18: Also die Frage, die dahinter steht, ist, Also du bist ja sehr mutig und gehst mit deiner Geschichte auch öffentlich um.
00:35:34: Was bedeutet dir das?
00:35:35: Also öffentlich zu sein, vielleicht sogar in einer Kommission zu sein, Theater zu spielen, dich auch eine Öffentlichkeit immer wieder auszusetzen, hilft das bei der Bearbeitung?
00:35:51: oder was sind deine Motive?
00:35:53: Also das Theaterstück Kinderhäuser, das ist ja so ein Dokumentarttheater, wo ich und Martin Schmitz damals unsere Geschichte praktisch gespielt haben.
00:36:01: Und anschließend gab es immer Publikumsgespräche.
00:36:04: und ich muss einfach sagen, was ich als wichtig empfinde ist, die Sätze, dass ich den Leuten zeigen kann, das habe ich erlebt.
00:36:11: Das war alles schlimm, aber Kuck, heute bin ich da.
00:36:13: Ich habe es auch überlebt und wir sind trotz dem Menschen und wir werden ... als Betroffene nie so wahrgenommen.
00:36:21: Und ich finde, man konnte da einfach auch nochmal mit den Leuten ins Gespräch gehen und man hat auch gemerkt, dass viele das gar nicht auf den Schirm haben.
00:36:28: Man liest dann immer, ja, da ist ein Missbrauch passiert, so auf den Campingplatz, das Kind ist so und so oft missbraucht worden.
00:36:35: Dann blättert man um, dann ist das weg.
00:36:37: Dieses Kind ist auch aus den Gedanken dann weg.
00:36:40: Man erinnert sich vielleicht irgendwann mal in der Kneipe bei einem Gespräch dran, aber dann auch noch mal diesen Menschen gegenüberzusitzen, wie er vierzig Jahre später lebt und wie er das überlebt hat.
00:36:49: Ich glaube, das hat erst mal uns auch noch mal gestärkt.
00:36:55: in dem wir einfach beweisen konnten, ja, wir haben das geschafft.
00:36:58: Und es hat den Leuten auch noch mal gezeigt, wir waren ja fast immer ausverkauft.
00:37:03: Ja, dieses Kind ist ja auch noch da, auch als Erwachsener da.
00:37:08: Und wie hat er das geschafft?
00:37:09: Und ich fand diese Publikumsgespräche tatsächlich immer sehr bereichernd für uns alle.
00:37:18: Ja, das kann ich mir gut vorstellen.
00:37:19: Ja, das war schon interessant auf jeden Fall.
00:37:21: Weil der Gedanke, der mir ja auch noch durch den Kopf geht, weiß ich natürlich auch schon länger, wenn man ein bisschen mit dem Thema assoziiert ist.
00:37:31: Es stimmt ja gar nicht, dass betroffene sexualisierter Gewalt eine marginalisierte Gruppe ist, also dass das kleine sind und wenige sind, sondern mir persönlich begegnet, dass ja häufig seit ich diese Stelle hier übernommen habe, habe ich laufend mit Menschen zu tun, die mir mal ebenso nebenbei erzählen.
00:37:49: Übrigens, ich bin auch
00:37:51: betroffen.
00:37:51: Ja, das hatte ich am Theater tatsächlich auch.
00:37:53: Da war der vom Orchester.
00:37:55: Der kam dann irgendwann mal auf mich zu und sagte, Ja, also jetzt kommt das so alles hoch, also er ist auch Betroffener und wir hatten dann eine Praktikantin, die hat es nur eine Stunde ausgehalten, da stellte sich auch raus, dass sie betroffen ist.
00:38:09: Man begegnet das überall im Leben, es ist ja nicht nur die Kirche, das ist ja auch, das ist der nette Nachbar, das ist die Kindergärtnerin, das sind ja auch Frauen, die Kinder missbrauchen oder Beiständer sind.
00:38:20: und du hast ja einfach... dass in allen Lebenslagen, wo du Menschen triffst, die irgendwann mal irgendwie Gewalt erlebt haben.
00:38:29: Das ist
00:38:29: unglaublich.
00:38:30: Und wenn man natürlich mit dem Thema beschäftigt ist, dann sieht man erst, wie viele das sind.
00:38:34: Ja.
00:38:35: Und ich finde, weiß nicht, wie es dir so geht damit, ich finde dafür, dass es so viele sind, ist die Möglichkeit, das unter den Teppich zu kehren, immer noch viel zu groß.
00:38:44: Absolut.
00:38:45: Ich meine, wir haben jetzt noch jeden Tag zweiundfünfzig Kinder in Deutschland, von denen man weiß, dass sie sexualisierte Gewalt erfahren.
00:38:52: Und ich finde, das ist immer noch zu viel.
00:38:54: Und von der Dunkelziffer wollen wir gar nicht reden, wo ich einfach denke, ja, ich hab das mal mit Frau Kawemann.
00:39:02: Das ist, die arbeitet bei der UBSKM mit der Professorin besprochen.
00:39:06: Wenn man wüsste, wann ein Täter zum Täter wird.
00:39:08: Die werden ja auch irgendwann geboren.
00:39:10: Und warum werden die zum Täter?
00:39:11: Wenn man das wüsste, wenn man diesen Kot knacken könnte, dann können wir viel Leid uns ersparen.
00:39:16: Aber das werden wir nicht schaffen.
00:39:17: Wir können eigentlich nur immer, wie ich schon vorhin sagte, die Augen aufhalten und gucken, warum ein Mensch so ist, wie er ist.
00:39:25: Und warum der einfach vielleicht ein bisschen durchgeknallt ist.
00:39:29: Oder warum er gerade plötzlich traurig wird, obwohl wir gerade noch lustig geredet haben.
00:39:33: Ich glaube einfach ... Wenn wir wachsamer sind, dann würden wir vielleicht vieles verhindern können.
00:39:42: Melanie, gibt es Punkte in unserem Gespräch, wo du sagst, das würde ich gerne noch mitteilen.
00:39:47: Das wäre mir noch ein Bedürfnis.
00:39:49: Darüber habe ich noch gar nicht gesprochen.
00:39:51: Das wäre noch ein Aspekt.
00:39:54: Gibt es Themen, wo du sagen würdest, die sind mir persönlich sehr wichtig oder die habe ich im Vorfeld, als ich hierhergefahren bin, mir überlegt?
00:40:04: Ach so nicht.
00:40:05: Also, was wir auf Tagung immer wieder erleben, ist, dass einfach die Ausbildung von Sozialpädagogen, Ärzten, Lehrern etc.
00:40:13: und so dieses Thema einfach viel zu wenig thematisiert wird.
00:40:16: Ich glaube, es wäre auch gut, wenn man alle Menschen, die irgendwie mit Kindern und behinderten Menschen zu tun haben, einfach viel mehr für dieses Thema sensibilisieren könnte, weil ich glaube einfach, wenn eine bessere Ausbildung gerade bei den Fachkräften da ist, wir vielleicht auch schneller was mitkriegen würden.
00:40:34: Das.
00:40:35: Alleine, dass es in den Notaufnahmen keinen gibt, der sich mit sexualisierter Gewalt oder mit Kindern, die vergewaltigt werden, auskennt und es auch keinen da gibt, der eine Ahnung hat und es auch da keine direkten Ärzte gibt, die ausgebildet sind, finde ich schon total schlimm.
00:40:51: Also ich war auch viel im Krankenhaus, aber nie ist jemand auf die Idee gekommen, zu gucken, warum ist sie denn ständig im Krankenhaus?
00:40:59: Und ich habe im letzten Jahr Krankenakten von mir bekommen, da war ich erst wenige Monate.
00:41:04: und hatte schwerste Unterleibsverletzung.
00:41:07: Aber es steht in den Akten nichts von irgendwelchen Missbrauch.
00:41:10: Sondern, ja, da sind halt Entzündungen und da muss man jetzt gucken und dieses Kind ist total unterversorgt und muss aufgepeppelt werden.
00:41:16: Aber dieses Wort oder diese Bedeutung, dass das sexualisierte Gewalt war, die finde ich da drin nicht.
00:41:24: Und ich finde, dass auch heute ist es noch ganz schwierig Ärzte zu finden, die du dafür sensibilisieren kannst, weil die das einfach nicht wissen.
00:41:32: Ich glaube, es wäre wirklich an der Zeit einfach zu gucken, dass alle Menschen, die irgendwie mit Bedürftigen, mit Kindern und Behinderten zu tun haben, auch mit alten Menschen.
00:41:42: Weil das kommt auch.
00:41:44: Dass einfach die Leute im Pflegeheim wieder in die Situation kommen, dass sie von Menschen abhängig sind, die sie berühren, die sie anfassen, die sie waschen, die sie versorgen.
00:41:53: Und ich glaube einfach, da müsste ausbildungstechnisch viel mehr passieren.
00:41:58: Wir waren ja gemeinsam auf diesem Symposium in Berlin und ich habe noch sehr eindrücklich im Ohr, dass es ... eine oder mindestens eine oder zwei Betroffene gab, die deutlich gesagt haben, wenn ich im Alter wieder in ein Heim komme, möchte ich lieber vor der Tod sein.
00:42:14: Das will ich nicht erleben.
00:42:16: Das möchte ich auch nicht.
00:42:17: Also das ist etwas, wo ich mir ganz sicher bin, dass ich das nicht möchte.
00:42:20: Ich würde mich wahrscheinlich, auch wenn ich absolut dagegen bin, um mir überhaupt nicht vorstellen könnte, mir das Leben zu nehmen, wäre das auch etwas für mich, wo ich wirklich alles versuchen würde, um das nicht erleben zu müssen.
00:42:31: Definitiv nicht.
00:42:32: wo ich nicht sagen will, dass alle Menschen, die in Pflegerirnrichtung schlecht sind.
00:42:36: Ich hab auch lange in der Pflege gearbeitet, immer in Altenheim.
00:42:40: Aber natürlich immer mit dem Kontext.
00:42:41: Ich behandle die Menschen so, wie ich auch behandelt werden muss, mit natürlich viel Fürsorge und auch Respekt der Scham gegenüber.
00:42:49: Aber das weiß man ja nicht.
00:42:51: Das weiß
00:42:52: man nicht.
00:42:52: Genau.
00:42:53: Also, es wäre für mich auch so der absolute Horror, definitiv.
00:42:56: Ja.
00:42:58: Einen letzten Aspekt noch.
00:43:01: Wir haben ... Vor allen Dingen tagentelefoniert und da hast du gesagt, Rick, es wäre eine gute Idee, wenn wir auch was für Angehörige machen würden.
00:43:08: Ja.
00:43:09: Magst du ein bisschen erzählen, was dich dazu bewegt?
00:43:12: zu dieser Frage?
00:43:13: Ich glaube einfach, wir Betroffenen haben einfach unsere Probleme.
00:43:18: Ich sage immer, ich habe einen kleinen Knall, aber das ist ja nun mal so, du hast ja einfach ... Du nimmst deine Ängste, deine Probleme, deine Erlebnisse ja mit in den Alltag, natürlich auch in der Erziehung unserer Kinder.
00:43:31: Man ist vielleicht übervorsichtig, man ist vielleicht viel strenger, man ist vorsichtiger und man passt mehr auf.
00:43:38: Dann hat man einen Partner, der muss mit den Altträumen auskommen.
00:43:42: Also ich weiß es von meinem Mann, der hat oft schon nachts von mir eingefäffert gekriegt, weil der mich plötzlich einfach nur am Rücken angefasst hat, weil ich so schlecht geträumt habe und ich glaube einfach ... Bei jedem Betroffenen ist immer eine Familie, die dahinter steckt, die mitleidet.
00:43:58: Vielleicht stiller als die Betroffenen, die sprechen.
00:44:01: Aber ich glaube, es ist einfach wichtig, auch, dass man da diesen Austausch mit anderen Betroffenen Angehörigen hat, damit man einfach sagen kann, du bist nicht alleine.
00:44:11: Meine Frau, die macht das auch nachts.
00:44:12: Die hat mir auch schon öfter ein blaues Auge gehauen, weil sie wieder so schlecht geträumt hat.
00:44:16: Und ich glaube, es würde vielen ... Partnern und auch Erwachsenen, Kindern gut tun zu verstehen.
00:44:21: Warum ist denn die Mama so?
00:44:22: Warum hat die denn manchmal so einen Knall?
00:44:24: Und warum ist die denn so anders wie andere Mütter?
00:44:26: Warum ist die so radikal in dem, was sie sagt?
00:44:29: Also meine empfinden mich immer als sehr radikal, weil ich habe ganz klare Sachen, die ich auf gar keinen Fall möchte.
00:44:38: Und ich weiß, dass ich denen damit auch gerade in der Teenagerzeit ziemlich auf den Sack gegangen bin.
00:44:42: Und ich glaube, es ist einfach gut zu sehen.
00:44:44: Die sind nicht alleine, so wie es ja auch für Betroffene gut zu sehen ist.
00:44:47: Wir sind nicht alleine, sondern es gibt andere Betroffene, die genau dasselbe erleben wie ich.
00:44:52: Und ich glaube, es ist für Angehörige auch noch mal gut zu gucken.
00:44:56: Ja.
00:44:57: Also meine Frau hat das auch.
00:44:58: Oder meine Mutter, die tickt auch so.
00:45:00: Oder meine Mutter hat auch die und die Krankheit.
00:45:03: Und das ist etwas, das würde mir echt am Herzen liegen, das betroffene auch die möglich betroffene Angehörige.
00:45:10: Auch die Möglichkeit hätten einfach mal zu sehen, dass das nicht nur bei ihnen so zu Hause ist.
00:45:15: Ja.
00:45:16: Das werden wir auf jeden Fall machen.
00:45:18: Ja.
00:45:19: Gut.
00:45:20: Genau.
00:45:21: Hast du noch etwas, was du gerne sagen möchtest oder loswerden möchtest?
00:45:26: Nee,
00:45:26: ich glaube, ich bin so ganz so viel losgeworden.
00:45:29: Was du der UAK gerne ins Gebetbuch schreiben
00:45:32: möchtest?
00:45:32: Nee.
00:45:33: Eigentlich nicht.
00:45:34: Das passt schon.
00:45:35: Gut.
00:45:36: Wenn er die ganz herzlichen Dank für deine Offenheit und ... Klarheit?
00:45:41: Sehr gerne.
00:45:42: Und für das Teil in deiner Geschichte?
00:45:44: Für den kleinen Ausschnitt.
00:45:46: Für den kleinen Ausschnitt?
00:45:47: Für den kleinen Ausschnitt, ja.
00:45:48: Der reicht auch.
00:45:50: Das reicht schon, damit ich heute Nacht nicht schlafen kann.
00:45:52: Ja, das klar bin
00:45:54: ich.
00:45:54: Ja, ist so, ne?
00:45:55: Wenn ihr Fragen oder Feedback habt, meldet euch gerne bei uns.
00:45:59: Schreibt uns eine E-Mail unter contactatuak-münster.de.
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